TIGUAN – VISUELLE MODALITÄT
Die Kommunikationswege zwischen den Verkehrsteilnehmern werden sich mit dem Debüt der ersten assistiert fahrenden Automobile verändern. Dort, wo kein Fahrer aktiv ein Fahrzeug kontrolliert, muss das Auto selbst in der Lage sein, mit anderen Fahrern, Fahrzeugen und Passanten zu kommunizieren, um ein Höchstmaß an Sicherheit und Komfort zu gewährleisten. Durch die neuen Kommunikationswege soll zudem die Kooperation mit anderen Verkehrsteilnehmern optimiert und Vertrauen aufgebaut werden. Die Volkswagen Konzernforschung erprobt diese künftigen Kommunikationsabläufe mit einem speziell ausgerüsteten Tiguan.
Forschungsfahrzeug mit Exterieur-HMI
Das Forschungsfahrzeug ist aktuell mit drei verschiedenen Technologien für eine 360-Grad-Kommunikation ausgerüstet. So sind außen vier große Liquid-Crystal-Displays (LC-Displays) in den Türen sowie der Front- und Heckpartie integriert; zudem gibt es eine umlaufende 360-Grad-LED-Multicolor-Leiste. Darüber hinaus sind sogenannte Multilinsen-Arrays in den Eckbereichen der Karosserie angebracht. Über diese Licht-Projektions- und Anzeigetechnologien – visuelle Modalitäten – können die Forscher das mögliche Verhalten von Verkehrsteilnehmern in den verschiedensten künftigen Szenarien untersuchen. Die visuellen Elemente selbst verschmelzen dabei zu einem Exterieur-HMI (Human-Machine-Interface). Dieses HMI kommuniziert mit anderen Verkehrsteilnehmern und informiert sie über die geplanten Fahrmanöver des Autos. Die LC-Displays bilden dabei Hinweise und Warnungen ab; die Multilinsen-Arrays im Bereich der Front- und Heckpartie projizieren indes visuell Schutz- und Kommunikationshinweise auf die Straße. Die 360-Grad-Lichtleiste interagiert parallel mit den LC-Displays und unterstützt über animierte Lichtkonzepte bei der Kommunikation nach außen. Kombiniert wird all das mit Audio-Signalen, um möglichst viele Sinne der Verkehrsteilnehmer in die Kommunikation einzubinden. Zudem werden parallel hoch aufgelöste Scheinwerfertechnologien betrachtet, um weitere Funktionen auf Basis visueller Projektionen in das Gesamtkonzept des Exterieur-HMI zu integrieren.
Licht wird zum Human-Machine-Interface
Das assistierte Fahren hält schrittweise in die Volkswagen von heute, morgen und übermorgen Einzug. Bereits angeboten werden Systeme wie der Stauassistent, der in bestimmten Situationen – noch vom Fahrer überwacht – automatisch die Längs- und Querführung eines Volkswagen übernimmt. Künftig wird es zudem Modi geben, in denen die Fahrzeuge ohne Überwachung durch den Fahrer autark arbeiten (VDA-Stufen 4 und 5 für das automatisierte Fahren). Um die Vorteile solch assistierter Fahrten optimal und sicher nutzen zu können, muss jedoch eine neuartige Maschine-Mensch-Kommunikation Berücksichtigung finden. Ein Beispiel: Bei unklaren Situationen an Vorfahrtsstraßen wird heutzutage mit Blickkontakt und Gestik kommuniziert – das wird in Zukunft oftmals wegfallen. Durch die neuartige Kommunikation kann jedoch für solche Situationen frühzeitig ein Vertrauen und Verständnis aufgebaut werden. Und das wird den Verkehrsfluss optimieren, da das Fahrzeug nicht mehr zum Stillstand kommen muss. Um diese Vorteile des assistierten Fahrmodus auszuschöpfen, arbeitet die Volkswagen Konzernforschung an einem HMI, wie es im Exterieur des Tiguan Forschungsfahrzeugs zum Einsatz kommt.
Exterieur-HMI auch im heutigen Verkehr einsetzbar
Über das Exterieur-HMI soll intuitiv Verständnis und Vertrauen in das Fahrzeugverhalten aufgebaut sowie eine intuitive Vorhersage möglicher Fahrmanöver ermöglicht werden. Das Exterieur-HMI bietet jedoch nicht nur für assistiert fahrende Fahrzeuge von morgen einen großen Mehrwert, sondern auch für den Verkehr und die Fahrzeuge von heute. Auch hier ein generelles Beispiel: Eine Stauende-Warnung könnte via Car-to-Car- und/oder Car-to-X-Kommunikation dazu beitragen, die Situationen eindeutiger zu machen, damit Auffahrunfälle zu vermeiden und so die Sicherheit auf Autobahnen zu erhöhen. Der von der Volkswagen Konzernforschung aufgebaute Tiguan ist das erste Forschungsfahrzeug mit einem derart vielseitigen und im realen Verkehrsgeschehen einsetzbaren Exterieur-HMI. Die Forscher verlassen damit den geschlossenen und vom Fahrer kontrollierbaren Innenraum als Interaktionsfeld, um neue Gestaltungsräume zu erobern und sich dabei ebenso neuen technologischen Anforderungen zu stellen.
Dabei werden verschiedenste Technologien eingesetzt, entwickelt und bewertet, um daraus bestmögliche technologische und konzeptionelle Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Gleichzeitig – und das ist entscheidend – rückt Volkswagen einmal mehr den Menschen in den Mittelpunkt der Forschung: Fußgänger, Fahrradfahrer sowie alle Auto- und Motorradfahrer. Neben der Berücksichtigung von wahrnehmungspsychologischen Prozessen bei einem Kommunikationsablauf werden deshalb auch Nutzerbedürfnisse in den Studien ermittelt. Und zwar auf der Basis von Online-Befragungen, Interview- und Videostudien, Studien in der virtuellen Realität sowie mit dem Prototypen im realen Straßenverkehr. Das übergeordnete Ziel dabei: via Exterieur-HMI ein Plus an Sicherheit für alle zu realisieren.