Sonne satt beim Vor-Ort-Termin in der Autostadt. Als Martina Voss-Tecklenburg den lichtdurchfluteten Pavillon von Volkswagen Nutzfahrzeuge betritt, hat sie ein Lächeln auf den Lippen und ein Funkeln in den Augen. Grund ist nicht nur der strahlend blaue Himmel, vielmehr freut sich die Bundestrainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft auf das Treffen mit einer anderen starken Frau: Astrid Fontaine. Entschlossenen Schrittes und mindestens ebenso gut gelaunt nimmt die Verantwortliche für Personal und Transformation bei VWN ihre Gesprächspartnerin in Empfang. Fußball trifft Wirtschaft.
Frauenpower auf Führungsebene
Diversität. Transformation. Digitalisierung. Drei Themen, die in der Wirtschaft und im Fußball aktueller sind denn je. In der Autostadt in Wolfsburg diskutierten Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, und Astrid Fontaine, Mitglied des Markenvorstands bei Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), verantwortlich für People and Transformation, über ihre Erfahrungen und Sichtweisen.
Diversität in Wirtschaft und Sport entscheidend
Unter anderem soll im Volkswagen Konzern der prozentuale Frauenanteil im Management bis spätestens 2025 auf mehr als 20 Prozent angehoben werden. „Das gilt auch für uns bei Volkswagen Nutzfahrzeuge und wir sind auf einem guten Weg“, sagt Fontaine. „Bis zum Jahresende 2021 werden wir innerhalb der aktiven Belegschaft einen Frauenanteil von 12,4 Prozent für die erste Führungsebene und von 17 Prozent für die zweite Führungsebene haben.“
Das passt zum Leitgedanken „Wir leben Vielfalt“, einem der sieben Konzerngrundsätze von Volkswagen. Ohne Diversität würde das Unternehmen stillstehen – kein Wunder bei mehr als 660.000 Beschäftigten, rund 120 Produktionsstandorten und 150 Märkten weltweit. Diversität und Inklusion in der Gesellschaft besser zu leben und auch im Unternehmen weiter zu stärken, ist dabei aber eher ein Marathon und kein Sprint – dessen ist man sich bei Volkswagen bewusst. „Für die Transformation brauchen wir eine Mannschaft mit den richtigen Kompetenzen, vor allem auch mit neuen Fähigkeiten“, sagt Fontaine.
Im Frauenfußball sehen sich die Verantwortlichen mit vergleichbaren Aufgaben konfrontiert. „Es ist für uns eine Herausforderung, Mädchen für den Fußball zu begeistern“, sagt Voss-Tecklenburg. „Was wir dafür brauchen, sind Vorbilder. Die müssen wir kreieren. Dafür brauchen wir aber mehr Sichtbarkeit unserer Nationalspielerinnen. Daran arbeiten wir.“ Zudem sei perspektivisch mehr Gleichheit im Rollenverständnis wichtig, so die Bundestrainerin. „Es kann nicht sein, dass im Schulsport die Jungs Fußball spielen und die Mädchen turnen. Wir brauchen Gemeinschaftlichkeit, um die Rollenklischees aufzubrechen.“
Auch in der Wirtschaft ist es wichtig, sich der Situation bewusst zu sein und die richtige Ansprache zu wählen. Nur so können Talente gefunden und gebunden werden. „Wenn bei einem Unternehmen im Bewerbungsprozess oder auf den Managementebenen keine Frau vertreten ist, kommt dieser Arbeitgeber für Interessentinnen oft überhaupt nicht infrage“, sagt Fontaine. „Daher werden unsere Führungskräfte mit dem Trainingsprogramm ‚Diversity Wins‘ geschult.“ Bei dem Programm geht es darum, die Wichtigkeit von Diversität zu schärfen, die Vorteile von Vielfalt in der Belegschaft zu fördern und eine vorurteilsfreie Arbeitsumgebung zu schaffen. Dabei geht es nicht nur um das Geschlecht, sondern beispielweise auch um die Nationalität oder die Glaubensrichtung.
Transformation durch Umdenken und umgekehrt
Auch im Frauenfußball hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert. „Als ich im November 2018 Bundestrainerin wurde, haben wir uns viele Dinge genau angeschaut“, sagt Voss-Tecklenburg. „Es ist ein dauerhafter, fortschreitender Transformationsprozess. Nicht nur für uns, sondern generell für den Fußball.“ Voss-Tecklenburg ist vor drei Jahren mit dem Ziel angetreten, die Frauenfußball-Nationalmannschaft in die Weltspitze zurückzuführen. Dafür brauche es laut der viermaligen Europameisterin unter anderem die richtige Führung und Ansprache.
„Wir nutzen alle Möglichkeiten der Digitalisierung.“
Martina Voss-Tecklenburg
Bei Fontaine trifft sie mit diesen Aussagen nicht nur auf ein offenes Ohr, sondern auch auf uneingeschränkte Zustimmung: „Das ist absolut vergleichbar mit unseren Herausforderungen. Auch in der Wirtschaft ist es zwingend notwendig, dass die Menschen die Reise mit dir machen – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber bei uns eben auch die Kundinnen und Kunden. Wir spüren diese Transformation bei uns im Automobilbereich aktuell sehr stark. Wir konzentrieren uns daher zum Beispiel auch verstärkt auf Service- und Dienstleistungsthemen bei Mobilitätsangeboten, weil sich die Welt der Mobilität verändert. Aber da müssen wir die Menschen auch mitnehmen.“
Digitalisierung bringt Vorteile und Erleichterungen
Eine elementare Voraussetzung dafür ist die fortschreitende Digitalisierung. „Autos werden zunehmend Teil unseres digitalen Lebens“, sagt Fontaine. „Sie sind mit uns connected und das bringt im Alltag sehr viele Vorteile mit sich.“ Voss-Tecklenburg ist froh, dass die Digitalisierung auch im Fußball Einzug gehalten hat. „Wir nutzen alle Möglichkeiten aus, sei es im Scouting mit Videos und Daten, aber auch bei den Spielanalysen und der Trainingssteuerung.“ So sei eine Leistungsüberwachung und -optimierung in Echtzeit möglich. „Die effiziente Steuerung des Belastungsmanagements ist ein großes und wichtiges Thema. Mir als Trainerin hat das ein enormes Maß an Sicherheit gebracht“, sagt Voss-Tecklenburg.
Gleiches gilt bei Volkswagen und Volkswagen Nutzfahrzeuge, um im Rahmen der ACCELERATE Strategie den Wandel zum nachhaltigen, softwareorientierten Mobilitätskonzern erfolgreich umzusetzen. „Intelligente Unternehmen sind datengesteuert“, sagt Fontaine. „Jeder Punkt in der Fabrik generiert heutzutage Informationen, aus denen man sich die Daten für Analysen, Prognosen und Entscheidungen ziehen kann. Da ist kein Bauchgefühl mehr nötig, oder zumindest deutlich weniger als früher.“
Im Fußball wird die Intuition auf dem Platz nach wie vor ein entscheidender Aspekt sein, doch auf dem Weg dorthin kann und muss vieles gesteuert werden. „Wir profitieren sehr von dieser Entwicklung, aber wir möchten den Spielerinnen natürlich auch ein Höchstmaß an Kreativität lassen. Nur so kann man im Sport auch erfolgreich sein“, sagt Voss-Tecklenburg.
Klare Ziele bei der UEFA Women’s EURO 2022
An Erfolgen werden sie und die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft auch künftig gemessen. Die zweimaligen Weltmeisterinnen, achtmaligen Europameisterinnen und Olympiasiegerinnen von 2016 haben neben der aktuell laufenden Qualifikation für die FIFA Frauen-WM 2023 vor allem die UEFA Women’s EURO 2022 in England im Visier. „Wembley ist im Sommer unser erklärtes Ziel“, sagt Voss-Tecklenburg.
Sollte die Frauen-Nationalmannschaft die „Road to Wembley“ erfolgreich meistern, wäre das Finale der EM-Endrunde erreicht. „Wenn wir in Wembley spielen, kommst du nach London. Deal?“, fragt die Bundestrainerin zum Abschluss in Richtung Fontaine und die versenkt den Steilpass gekonnt: „Alles klar, ihr schafft Wembley und ich bin da.“ Voss-Tecklenburg lächelt und hat wieder dieses Funkeln in den Augen.
Astrid Fontaine ist seit September 2021 Mitglied des Markenvorstands von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN), verantwortlich für People and Transformation. Zuvor war sie bei der Volkswagen Tochter Bentley als Mitglied des Vorstands für Personal, Digitalisierung und IT bei Bentley Motors in England tätig. Sie begann ihre Karriere bei Mercedes-Benz und verantwortete unter anderem als Chief Information Officer die Digitalisierung und IT des Unternehmens in den USA. Ab 2011 war sie als Professorin für Digitalisierung in China und den USA tätig. 2013 wechselte sie als Senior Vice President für Personal, Kultur und Innovation zu Porsche Nordamerika. 2019 wurde sie als eine der „Top 100 Most Influential Women in the Engineering Sector“ ausgezeichnet.
Martina Voss-Tecklenburg ist seit Ende 2018 Bundestrainerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft. Als Spielerin wurde sie viermal Europameisterin und 1995 Vizeweltmeisterin. 1996 und 2000 wurde sie zu Deutschlands „Fußballerin des Jahres“ gewählt. Insgesamt absolvierte sie 125 Länderspiele, in denen sie 27 Tore erzielte. Nach ihrer aktiven Karriere als Spielerin war sie zunächst Trainerin bei den Frauenfußball-Bundesligisten FCR Duisburg und FF USV Jena, ehe sie 2012 den Posten als Schweizer Nationaltrainerin übernahm.