Leder gehört zu den klassischen Materialien für Fahrzeuginnenräume: Es kommt in der Regel als Sitzbezug, auf Lenkrädern, Armauflagen oder Zierverkleidungen zum Einsatz. Gleichzeitig steht es als tierisches Produkt sowie aufgrund diverser Abfallprodukte in der Herstellung in der Kritik. In den Elektromodellen der Marke Volkswagen sollen deswegen als Alternativen möglichst nur tierfreie Materialien im Innenraum verwendet werden.
Nachhaltige Materialien im Auto:
Volkswagen setzt auf tierfreies Leder
und Rezyklate
Lenkradbezüge aus tierfreiem Leder, Sitzoberflächen aus Zellulose oder recycelte Materialien aus PET-Flaschen: Um die Produktion seiner Fahrzeuge in puncto Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben, ist Volkswagen kreativ und innovativ zugleich – gerade bei den Modellen der vollelektrischen ID. Familie. Mit dem Ziel, den ökologischen Fußabdruck weiter zu verkleinern, erforscht VW verschiedene vielversprechende Ansätze und setzt diese in der Serienproduktion um. Ein Fokus liegt dabei auf tierfreien und recycelten Materialien in der Innenausstattung.
Tierfreies Leder aus Kaffeeresten
Die bewährte und bislang oft einzige Alternative war Kunstleder, das zu einem großen Teil auf mineralölhaltigen Kunststoffen wie Polyurethan oder PVC basiert. So entstand bei einem Brainstorming des Teams für Biomaterialien der Volkswagen Group Innovation die Idee zum sogenannten Kaffeeleder, denn: Bei der Röstung der Bohnen fällt als Reststoff die sogenannte Silberhaut an, die ursprünglich die Kaffeebohne umschließt. Die Silberhäutchen eignen sich hervorragend als Füllstoff für Kunstleder. Der Stoff fällt bereits trocken und in einer für die Weiterverarbeitung sehr günstigen Form an.
In Prototypen könnte das tierfreie Kunstleder mit seinem hohen Anteil biologischer Materialien schon bald auf Autositzen und Armlehnen Verwendung finden. „Das Potenzial ist groß und es kann einer der nächsten Schritte sein, um den ökologischen Fußabdruck unserer ID. Elektroflotte weiter zu optimieren“, sagt Dr. Martina Gottschling, Forscherin der Volkswagen Group Innovation.
ID. Buzz ist Vorreiter in Bezug auf nachhaltige Materialien
Im Innenraum des ID. Buzz setzt Volkswagen bereits heute viele innovative Materialien ein, die nun schrittweise in den übrigen Modellen der ID. Familie Einzug halten. So kommen im Innenraum des neuen „Bulli“ an zahlreichen Stellen alternative Materialien aus Meeres-Plastik bzw. alten PET-Flaschen (konkret 63 Stück à 500 ml) zum Einsatz. Ein Sitzbezug besteht in der sogenannten Oberware aus Seaqual®-Garn, das zu 10 Prozent aus gesammeltem Meeresmüll und zu 90 Prozent aus recyceltem PES-Garn hergestellt wird. Das spart in der Herstellung im Vergleich zu herkömmlichen Oberflächenmaterialien 32 Prozent CO2-Emissionen. In Sitzbezügen mit ArtVelours Eco® beträgt der Recycling-Anteil 71 Prozent.
Zudem bestehen die Oberflächen des Dachhimmels und des Bodenteppichs im ID. Buzz zu 100 Prozent aus recyceltem Polyester. Auch in der Dämmschicht des Teppichs stecken recycelte Kunststoffe. Das Gleiche gilt für Bauteile wie die Unterbodenverkleidung und die Radhausschalen. Wichtig: Jedes Rezyklat muss denselben hohen Qualitäts- und Wertigkeitskriterien entsprechen wie neues Material.
Darüber hinaus verwendet Volkswagen für Zierteile an den Türen, der Instrumententafel und der Lenkradspange des ID. Buzz kein Chrom mehr, dessen Herstellung die Umwelt belastet. Als Ersatz dient ein Flüssiglack in Chromoptik, dessen Bindemittel biobasiert ist.
YouTube-Video
Neues Forschungsfeld: Zellulose in Sitzbezügen
Und die Suche nach neuen, nachhaltigen Materialien geht weiter: In der Open Hybrid LabFactory (OHLF) am Wolfsburger Stadtrand forscht Volkswagen unter anderem an alternativen Stoffen für den Fahrzeugbau. Um dabei auch die Umweltbilanz von Elektroautos zu verbessern, wird das Thema Kreislaufwirtschaft immer wichtiger – dazu zählt etwa, Kunststoffe aus Recycling-Material zu entwickeln und Naturwerkstoffe in biologischen Kreisläufen einzusetzen.
Dr. Marko Gernuks vertritt Volkswagen im Vorstand der OHLF und sagt: „Wir wollen Prozesse, Werkstoffe und Bauteile so gestalten, dass sie die Kreislaufwirtschaft substanziell verbessern. Dazu planen wir, neue Kunststoffe aus Recycling-Material zu entwickeln. Wir wollen Demontageprozesse automatisieren, um Werkstoffe wirtschaftlich sortenrein zu trennen, und wir setzen auf Naturwerkstoffe in biologischen Kreisläufen.“
Ein Ansatz, in dem die Volkswagen Forschenden großes Potenzial sehen, sind wachsende Biomaterialien. Dabei geht es um mehr als nur Industriepflanzen wie Raps oder Nadelholz – denn diese innovativen Stoffe lassen sich auch im Labor erzeugen. Geforscht wird derzeit beispielsweise an reiner Zellulose, die sich in natürlicher Form in pflanzlichen Zellwänden findet, beispielsweise in Holz. Im Labor können Bakterien sie in reiner Form erzeugen. Das Naturpolymer ist sehr stabil und beständig; es eignet sich außerdem gut für Recycling-Prozesse beim Auto und kann kompostiert werden.
Wir wollen Prozesse, Werkstoffe und Bauteile so gestalten, dass sie die Kreislaufwirtschaft substanziell verbessern.“
Dr. Marko Gernuks, Leiter Life Cycle Optimierung
So könnten z.B. Sitzbezüge in Autos von Volkswagen künftig aus Zellulose bestehen, die im Labor produziert wurde. Bereits jetzt ist es möglich, die reine Zellulose in gewünschten Formaten zu züchten.
Strenge Anforderungen an neue Werkstoffe
Mit diesen und anderen Ansätzen verfolgt Volkswagen auf seinem „way to ZERO“ das Ziel, der wachsenden Nachfrage nach tierfreien Alternativen im Auto-Innenraum nachzukommen – und die Ökobilanz von Elektroautos Schritt für Schritt weiter zu verbessern. Bis 2050 strebt der Hersteller die bilanzielle CO2-Neutralität an.
Volkswagen stellt hohe Anforderungen an die Haltbarkeit von Komponenten und Bauteilen. Insgesamt führt die Werkstoffentwicklung rund 40 Tests an neuen Werkstoffen durch, bevor sie eine Serienfreigabe nach Volkswagen Spezifikationen erhalten.