Was ist wo sinnvoll?
Bei Pkw sollten wir den Mut zu einer klaren Entscheidung haben und sagen: Das Rennen ist zugunsten des E-Antriebs gelaufen. Es macht hier keinen Sinn, Geld für Experimente auszugeben. Auch für die dezentrale Gebäudeheizung gilt: Wir sollten knappes Geld nicht in Bereichen verdunsten, wo Wasserstoff erkennbar keine Zukunft hat. In anderen Sektoren, etwa bei den Lkw, steht die beste Lösung dagegen noch nicht fest. Da müssen wir einen Suchprozess organisieren. Und dann gibt es einen dritten Bereich, in dem es ohne Wasserstoff nicht geht. Das gilt etwa für den Eisen- und Stahlsektor oder die Chemieindustrie.
Ist Technologieoffenheit nicht besser als Festlegungen?
Der oft kritisierte Mangel an Technologieoffenheit ist teilweise ein Mythos. Nehmen Sie die Kaufprämien für Autos: Sie bekommen in Deutschland die gleiche Förderung für Elektrofahrzeuge wie für Brennstoffzellenautos, beide werden bei den europäischen Flottengrenzwerten gleichbehandelt. Die Verzerrung ist eigentlich andersherum: In der aktuellen EEG-Novelle wird der Strom für die Produktion von Wasserstoff von der Umlage weitgehend befreit. Das ist auch richtig. Aber warum gilt das nicht für den Strom, mit dem Elektroautos geladen oder Wärmepumpen betrieben werden? Das ist eine Schieflage zugunsten des Wasserstoffs – selbst wenn es von interessierten Kreisen anders behauptet wird.
Sehen Sie Nischen für andere Lösungen – zum Beispiel synthetische Kraftstoffe?
Ja, im Flugverkehr und Teilen des Schiffsverkehrs, wo es keine Alternative gibt. Weitere kleine Nischen wird es immer geben. Aber das ist kein Pfad, den man großflächig vorantreiben sollte. Dazu sind die Umwandlungstechnologien zu ineffizient und auch längerfristig zu kostspielig.
Kritiker sagen: Wir sollten schon weit vor 2050 klimaneutral sein. Was würde sich dadurch ändern?
Man kann sich normativ sehr ehrgeizige Ziele setzen. Aber am Ende müssen sie auch mit den Investitionszyklen zusammenpassen – wir sprechen über 12 Jahre bei Pkw, 20 Jahre bei Stahlwerken, 30 Jahre bei Gebäuden und mindestens 50 Jahre bei Infrastrukturen. Das ist mit Klimaneutralität im Jahr 2035 nur schwer in Einklang zu bringen. Ich weiß, dass das schmerzhafte Diskussionen sind – aber wir dürfen uns auch nicht in die Tasche lügen. Wir haben in der Klimapolitik eine verlorene Dekade hinter uns – die holt man nicht einfach wieder auf.
Wie sieht ein realistischer Weg aus?
Wir müssen versuchen, so schnell wie möglich voranzukommen. Ein plastisches Beispiel ist die Ladeinfrastruktur für E-Autos. Zumindest in Großstädten wie Berlin sind wir heute noch ordentlich aufgestellt – aber für starkes Wachstum fehlen Ladesäulen. Die müssen zügig entstehen. Auch bei den Wärmenetzen kann die Devise nur sein: Ausbau, Ausbau, Ausbau. Parallel müssen wir den Hochlauf von Wasserstoff in der Industrie organisieren. Wenn ein Hochofen im Stahlwerk für viel Geld erneuert ist, dann kann man das nicht nach wenigen Jahren korrigieren. Oder es wird sehr teuer. Zusätzlich müssen wir den Marktaustritt der CO2-intensiven Kapitalstöcke fördern. Und wir dürfen die soziale Frage nicht vergessen.