Geburtsstadt von Horch, Produktionsstätte des Trabant und Zukunftsstandort für Elektromobilität: Zwickau hat den Fahrzeugbau in den vergangenen 115 Jahren wie kaum eine andere deutsche Stadt geprägt. Seit 29 Jahren als Hoffnungsträger und Entwicklungsantreiber ganz vorne mit dabei: Volkswagen als Innovationsgeber für die gesamte Wirtschaftsregion.
Autostadt Zwickau: Von Horch zur E-Mobility
Seit 115 Jahren gilt Zwickau als Wiege der sächsischen Automobilindustrie. Mit dem Produktionsstart des rein elektrischen ID.3 schlägt Volkswagen nun ein neues Kapitel auf. Eine Chronik.
Mit der Fertigstellung des ersten Volkswagen Polo der DDR in der Montagehalle des IFA-Kombinats PKW am 21. Mai 1990 und der Grundsteinlegung einer neuen Automobilfabrik am 26. September 1990 im damals noch eigenständigen Ort Mosel, nördlich von Zwickau, läutete das Unternehmen ein neues Kapitel in der langen Automobilgeschichte der Stadt ein. Ihren Anfang hatte diese Ära bereits am 10. Mai 1904.
August Horch, Begründer der sächsischen Automobilindustrie
An diesem Tag verlagerte der deutsche Maschinenbauingenieur August Horch sein 1899 in Köln-Ehrenfeld gegründetes und ab 1902 in Reichenbach im Vogtland weitergeführtes Unternehmen A. Horch Cie. nach Zwickau. Mit seiner im Zwickauer Handelsregister eingetragenen A. Horch & Cie. Motorwagenwerke AG stieg er zum Gründungsvater der sächsischen Automobilindustrie auf. Bereits 1900 hatte der Autopionier ein Automobil mit stoßfreiem Motor (Motor, der seine Kraft gleichmäßig und nicht ruckartig auf die Antriebswelle und damit auf die Räder überträgt) entwickelt und 1903 das erste deutsche Auto mit Vierzylindermotor vorgestellt.
Doch August Horch stand nicht nur für die Qualität, den Luxus und technischen Fortschritt der Marke Horch. Nach seinem Ausstieg aus dem Unternehmen 1909 zeichnete er im selben Jahr auch für die Gründung der Audi Automobilwerke GmbH verantwortlich und brachte in Zwickau 1910 den ersten Audi auf den Markt. Nach der Fusion mit den Marken Horch, Wanderer und DKW zur Auto Union AG im Jahr 1932, der Neugründung 1949 als Auto Union GmbH in Ingolstadt, der Fusion mit der NSU Motorenwerke AG 1969 und der Gründung der Audi AG 1985, entwickelte sich das Unternehmen zu einem der weltweit führenden Premium-Hersteller. Seit 1965 gehört Audi zum Volkswagen Konzern.
Vom Trabant zu Polo und Golf
Mit der Gründung der Volkswagen Sachsen GmbH am 12. Dezember 1990 führte Volkswagen die traditionsreiche Automobilbau-Ära in Zwickau fort. Mit einem anfänglichen Betragvon vier Milliarden DM investierte Volkswagen in den Aufbau eines neuen Automobilwerks, konzipiert für die Produktion des Volkswagen Golf.
Bereits zuvor hatte sich der Übergang von der Massenproduktion der seit 1957 in den VEB Sachsenring Automobilwerken produzierten Trabant hin zu modernen Neuwagen mit Katalysatoren in der DDR abgezeichnet. So gründete der Volkswagen Konzern mit dem IFA-Kombinat PKW der DDR bereits am 22. Dezember 1989 die Volkswagen IFA-PKW GmbH. Danach rollten im neuen Sachsenring-Werk des IFA-Kombinats PKW in Mosel ab dem 21. Mai 1990 bis August 1990 über drei Monate Trabi und Polo parallel vom Band. War der letzte im Werk produzierte Trabi ein „himmelblauer“ Wagen mit Polo-Motor unter der Plastikhaube, so startete der erste Polo aus Sachsen in Alpinweiß, als Steilheck-Version mit 55 PS. Bis zum 12. September 1991 wurden insgesamt 17.978 Polo in Mosel produziert.
Mit dem Start des Golf in den Montagehallen des im Aufbau befindlichen neuen Fahrzeugwerks in Mosel am 15. Februar 1991 nahm Volkswagen die Produktion am sächsischen Standort auf. Bereits im Oktober 1991 erreichte man die 20.000er-Marke, im September 1992 waren es bereits 100.000 PKW.
Innovationen und Umweltschutz
Großen Wert legte Volkswagen schon damals auf Investitionen in die Infrastruktur und auf eine verbesserte Umwelt in den Regionen der Standorte. So eröffnete das Unternehmen auf dem Werksgelände in Mosel im November 1991 ein auf Erdgas basierendes Heizwerk. Im Sommer 1992 folgte ein Abwasserzentrum. Eine weitere Antwort auf die immer größer werdenden Herausforderungen des Umweltschutzes war auch der Golf Ecomatic. Im September 1993 startete exklusiv in Mosel die Serienfertigung. Der Motor schaltete sich bei Nichtbenutzung des Gaspedals oder im Stand automatisch ab und konnte ohne Kupplung, einfach durch Gas geben während der Fahrt, oder durch Einlegen des Ganges und Gas geben im Stand wieder gestartet werden. Durch die Installation von modernen Wärmerückgewinnungssystemen für die An- und Abluft verbesserte Volkswagen an seinem Standort gleichzeitig die Energieeffizienz.
Im Februar 1994 feierte dazu der Golf CitySTROMer Premiere. Er war der erste, reinelektrisch angetriebene Golf, der hier in den 1990er Jahren exclusiv gebaut wurde. Der Lohn für dieses Engagement war 1996 die Auszeichnung mit dem europäischen Umweltzertifikat.
Aber auch durch die regelmäßige Weiterentwicklung und den Einsatz von modernen Technologien, wie zum Beispiel dem „Drehscheibenkonzept“ hat Volkswagen den Standort Mosel zu einem der modernsten Fahrzeugwerke entwickelt. Dabei konnten durch neue, technisch kompatible Einrichtungen Modelle kurzfristig umgestellt werden, was ab 1996 die gleichzeitige und flexible Produktion zweier unterschiedlicher PKW wie dem Golf und dem Passat möglich machte. Highlight war ein neues Transportsystem, das Karosserien und Fahrzeuge über eine Elektrohängebahn mit Spezialaufnahmen auf einer Strecke von insgesamt 1.240 Metern durch die Halle bewegen konnte.
Innovativer Vorreiter war Volkswagen in Mosel aber auch beim modularen Fahrzeugbau. Von Beginn an wurden bei Lieferanten komplexe Fahrzeugbaugruppen vormontiert, geprüft und ohne Zwischenlager ins Werk geliefert. 1998 gewann die Volkswagen Sachsen GmbH für diese Zusammenarbeit mit Modullieferanten den Deutschen Logistikpreis.
Das Fahrzeugwerk Mosel bricht Rekorde
Die Erfolgsgeschichte am Standort Mosel zeigt sich auch an den Produktionsrekorden, die der sächsische Standort erreichte. Erstmals war das Fahrzeugwerk in diesem Jahr voll ausgelastet und konnte das Jubiläum vom 250.000sten in einem Jahr gefertigten Volkswagen feiern.
Der Jubiläumswagen war ein Golf der vierten Generation, ausgestattet mit einem 110 PS starken TDI-Motor und als Rechtslenker-Ausführung für den englischen Markt bestimmt. Damit hatte sich die sächsische Tochter von Volkswagen zum umsatzstärksten Unternehmen in den neuen Bundesländern entwickelt. Am 9. Juli 1999 folgte dann der einmillionste Volkswagen aus Sachsen. Ein Passat stellte 2003 auch das erste Volkswagen Modell, das im Alleingang die produzierte Millionen-Stückzahl überschritt. Dem schloss sich bereits im Februar 2005 der einmillionste Golf an.
Mit der Produktion der Phaeton Karosserien (bis 2016) und den Karosserien für Bentley ab Dezember 2001 erweiterte der Konzern seine in Zwickau produzierten Modelle, bzw. Karosserien um zwei luxuriöse Marken. Seit 2017 werden hier auch die Karosserien für den Lamborghini Urus2 gebaut. So werden aktuell von insgesamt 7.700 Beschäftigten an jedem Arbeitstag 1.350 Karosserien bzw. komplette Fahrzeuge der Marken Bentley, Lamborghini und Volkswagen hergestellt.
Zum Werk Zwickau gehören außerdem ein Kunden- und Servicecenter und eine Produktionsstätte am Standort St. Egidien. Dort werden Sonderfahrzeuge sowie Baugruppen für Erdgasfahrzeuge hergestellt.
Wichtigster Standort für die Elektromobilität
Wichtigstes Ziel des Volkswagen Konzerns am Standort Zwickau für die kommenden Jahre ist aber die Reduzierung der CO2-Emissionen und die Vorbereitung des Fahrzeugwerks auf das E-Mobility-Zeitalter. Schon Ende 2013 ging im Werk Zwickau ein neu errichtetes Blockheizkraftwerk ans Netz, mit dem die jährlichen CO2-Emissionen um 23.000 Tonnen verringert werden können. 2014 nahm eine Photovoltaik-Anlage ihren Betrieb auf, mit dem jährlich etwa 90.000 kWh Elektroenergie erzeugt und direkt in die Stromversorgung der Montage eingespeist werden. Bis zu 80 Tonnen CO2-Emissionen sollen so jährlich vermieden werden. 2015 wurde, genau 25 Jahre nachdem der erste in Sachsen gefertigte Volkswagen in Zwickau vom Band gerollt war, ein Energiepark mit integrierter e-Tankstelle in Betrieb genommen. Hier werden Windkraft und Photovoltaik zur Elektroenergieerzeugung genutzt. 2018 unterschrieb die Volkswagen Sachsen GmbH erneut eine gemeinsame Erklärung zum Schutz der Umwelt und verpflichtete sich zur Schonung natürlicher Ressourcen.
Seit Anfang 2018 stellt Volkswagen in Zwickau erstmals schrittweise eine komplette Autofabrik von 100 Prozent Verbrennungsmotor auf 100 Prozent „E“ um. Bis Ende 2020 soll der Umbau vollständig abgeschlossen sein. Der Karosseriebau und die Lackiererei sind bereits weitgehend auf die ID.3 Produktion umgerüstet. Auch die erste von zwei Endmontage-Linien wurde bereits vollständig aufgebaut. Hier wird der ID.3 im November starten. Auf dem Werksgelände entstehen insgesamt 12 neue Gebäude sowie Hallenteile. Allein das bestehende Presswerk wird für rund 75 Millionen Euro erweitert und auf die neue Zeit vorbereitet. Damit kann Zwickau ab 2021 alle zentralen Karosserieteile des MEB selbst vor Ort produzieren.
Die zweite Montagelinie in Zwickau wird ab Sommer 2020 umgestellt – und noch im selben Jahr in Betrieb genommen. In der finalen Ausbaustufe werden in Zwickau ab 2021 sechs Modelle auf MEB-Basis für drei Konzernmarken gebaut. Die Produktionskapazität wird von 300.000 auf 330.000 Fahrzeuge pro Jahr steigen. Zwickau wird damit zum größten und leistungsfähigsten E-Auto-Werk Europas. Insgesamt investiert Volkswagen rund 1,2 Milliarden Euro in die Transformation des Standorts. Rund 800 Millionen Euro wurden davon bereits umgesetzt.