Der XL1 ist ein Auto der Zukunft, das in der Gegenwart gebaut wird. Wegweisend sind dabei nicht nur die eingesetzten Technologien, sondern auch die Tatsache, dass Volkswagen den XL1 in weiten Teilen aus dem leichten und stabilen karbonfaserverstärkten Kunststoff (CFK) fertigt. Das Monocoque mit den leicht versetzt angeordneten Sitzplätzen für Fahrer und Beifahrer, alle Karosserieaußenteile, aber auch Funktionselemente wie die Stabilisatoren werden aus CFK gefertigt. Volkswagen favorisiert CFK-Komponenten, die mit dem RTM-Verfahren (Resin-Transfer-Moulding) hergestellt werden. Die Dichte dieses Materials respektive das spezifische Gewicht beträgt nur rund 20 Prozent einer vergleichbaren Stahl-Außenhaut. Gleichwohl weisen die CFK-Bauteile eine Steifigkeit und Belastbarkeit auf, die der vergleichbarer Stahl- oder Aluminium-Komponenten in nichts nachstehen. Dabei sind die Außenhautbauteile des XL1 lediglich 1,2 mm dick.
Innovatives RTM-Verfahren
Gegenüber anderen Verfahren wie etwa der CFK-Prepreg-Fertigung ist die CFK-Herstellung via RTM aufgrund niedrigerer Kosten bei größeren Stückzahlen wirtschaftlicher, da automatisierbar. Gefertigt werden die RTM-Bauteile in mehrschaligen, beheizbaren und vakuumdicht verschlossenen Werkzeugen. Dabei wird in das Werkzeug, das mit trockenen Karbon-Halbzeugen ausgelegt ist und innen die Form des herzustellenden Teils aufweist, per Hochdruck flüssiges Harz injiziert. Das Bauteil härtet anschließend in der Form aus.
CFK ebnet den Weg in die Zukunft
Weshalb CFK für die Karosserie des XL1 der ideale Werkstoff ist, zeigt ein Blick auf die Waage. Der Volkswagen wiegt lediglich 795 Kilogramm. Davon entfallen 227 Kilo auf die Antriebseinheit inklusive der Batterie, 153 Kilo auf das Fahrwerk, 80 Kilo auf die Ausstattung und 105 Kilo auf die Elektrik. Bleiben 230 Kilogramm; und genau so viel wiegt die überwiegend aus CFK gefertigte Karosserie mitsamt Flügeltüren, Windschutzscheibe in Dünnglastechnik sowie dem hochsicheren Monocoque. Insgesamt 21,3 Prozent des neuen XL1 respektive 169 Kilogramm bestehen aus CFK. Darüber hinaus setzt Volkswagen für 22,5 Prozent aller Teile (179 Kilo) Leichtmetalle ein. Lediglich 23,2 Prozent (184 Kilo) des XL1 gehen auf das Konto von Stahl- und Eisenwerkstoffen. Das restliche Gewicht verteilt sich auf verschiedene weitere Kunststoffe (z.B. die Seitenscheiben aus Polycarbonat), Metalle, Naturfasern sowie die Betriebsstoffe und Elektronik.
Der XL1 ist dank CFK nicht nur leicht, sondern auch sehr sicher. Mit dafür verantwortlich ist das hochfeste und gleichzeitig leichte CFK-Monocoque. Es stellt im Ernstfall den notwendigen Überlebensraum für Fahrer und Beifahrer zur Verfügung. Verantwortlich hierfür ist eine intelligente Gestaltung der Lastpfade inklusive der Verwendung von Sandwichstrukturen im Monocoque. Zudem nehmen die Vorder- und Hinterwagenstrukturen aus Aluminium einen Großteil der Energie auf. Diese Prinzipien wurden auch bei der Auslegung der CFK-Türen umgesetzt, wo ein Aufprallträger aus Aluminium für die Aufnahme der Energie verantwortlich ist; ein steifer CFK-Türrahmen minimiert darüber hinaus die Intrusionen in die CFK-Sicherheitszelle. Ein großes Augenmerk wurde zudem auf die Rettung der Insassen gelegt: Falls der XL1 nach einem Überschlag auf dem Dach liegen bleiben sollte, erleichtern pyrotechnische Trennschrauben das Öffnen der Türen (Schwenktüren).
XL1 verkörpert das heute Machbare
Der neue XL1 ist das derzeit sparsamste und umweltschonendste Automobil der Welt. Realisiert werden kann dieses Fahrzeug nur deshalb, weil sowohl im Bereich der eingesetzten Technologien als auch der Herstellung die Grenzen des Machbaren neu definiert wurden. Beispiel XL1-Technologien: Volkswagen setzt die innovativsten Systeme und Materialien ein, die aktuell im Hinblick auf eine möglichst hohe Effizienz verfügbar sind. Beispiel XL1-Herstellung: Europas größter Automobilhersteller hat in Norddeutschland eine völlig neue, manufakturartige Fertigung für den in weiten Teilen aus CFK bestehenden XL1 aufgebaut.
Manufaktur in Osnabrück
Gefertigt wird der XL1 von der Volkswagen Osnabrück GmbH. Dort, in den ehemaligen Karmann-Werken, produzieren heute rund 1.800 Mitarbeiterinnen unter anderem das Golf Cabriolet und den neuen Porsche Boxster. Die Spezialisten aus Osnabrück gehen bei der Kleinserie des XL1 jedoch nicht den Weg der klassischen Großserienproduktion, sondern den der Automobilmanufaktur. Wie allerdings auch im Rahmen von Großserienfahrzeugen wie dem Golf Cabriolet üblich, werden viele Komponenten, etwa das Monocoque, die Motoren, Achsen oder die Batterie, von anderen Werken und Zulieferern beigesteuert. Gleichwohl ist die in Osnabrück umgesetzte Fertigung des XL1 höchstinnovativ und in dieser Form weltweit einzigartig. Für die einzelnen Fertigungsschritte gab es nirgendwo auf der Welt Vorbilder, da in dieser Konsequenz bislang kein anderes Auto in einem ähnlichen Materialverbund gefertigt wird. Von den zahlreichen mit dem XL1 realisierten Innovationen werden deshalb langfristig auch andere Konzernmarken profitieren. Die Fertigung des neuen XL1 im Detail:
Fertigungsstufe I – Kastenrohbau
Die Fertigung des XL1 beginnt mit der Anlieferung des CFK-Monocoque, das im RTM-Verfahren bei einem Zulieferer in Österreich entsteht. Das Fertigungsverfahren selbst war in den vergangenen Jahren in enger Kooperation mit Volkswagen entwickelt worden. In Osnabrück wird das Monocoque auf eine Aufbauplatte montiert; hier entsteht nun die Karosserie – jedoch ohne Türen und Hauben. Genannt wird diese erste Karosseriefertigungsstufe der „Kastenrohbau". Alle Bauteile werden in dieser Station über spezielle Vorrichtungen in die konstruktiv vorgegebene Position gebracht. Diese Vorgehensweise ist notwendig, um die engen Fertigungstoleranzen einzuhalten.
Die Oberflächen des Monocoque werden im Vorfeld in den verschiedenen Bereichen des Interieurs und Exterieurs vorbehandelt. Diese Vorbehandlung ist erforderlich, um Fugen zu schließen und Flächen zu glätten. Hintergrund: Im Interieur des XL1 werden später bewusst zahlreiche dieser CFK-Flächen nicht durch Verkleidungen abgedeckt; das Hightech-Material bleibt somit sichtbar. Die einzelnen CFK-Komponenten werden beim Kastenrohbau durch Kleben miteinander verbunden – ein hochkomplexer und fertigungstechnisch einmaliger Vorgang. Wie komplex das Verfahren ist, verdeutlicht beispielhaft die Montage des Dachteils auf das Monocoque:
Anders, als bei zu verschweißenden Blechteilen, kann das Dach des XL1 nicht einfach auf das Monocoque aufgelegt werden. Vielmehr müssen hier über die Kleberstärke die Passgenauigkeit der Monocoque-Dachholmstruktur und die unterschiedlichen Materialstärken des laminierten Daches ausgeglichen werden. Deshalb schwebt dieses Bauteil vor dem Verkleben über dem Monocoque. Der Klebeprozess selbst wird nach einem genau festgelegten Ablauf mit fest definierten Aushärtezeiten durchgeführt.
Im weiteren Ablauf wird in der Fertigungsstufe I die Kofferraumwanne mit dem Wasserkanal in Position gebracht, verklebt und verschraubt. Darüber hinaus werden alle Struktur- und Außenhautteile (Querträger hinten, Heckabschlussteil, Seitenteil vorn u. hinten) über einen Vorrichtungsschlitten positioniert und verschraubt. Last but not least überprüfen und dokumentieren die Mitarbeiter als Schlusspunkt jeder Fertigungsstufe die Maßhaltigkeit der gesamten Baugruppe. Jedes einzelne Bauteil des XL1 wird zudem mit seiner Seriennummer in der Fertigungshistorie dokumentiert.
Fertigungsstufe II – Türenfertigung
Parallel zur Fertigungsstufe I werden in einer separaten Fertigungsstufe die zwei Flügeltüren inklusive der Crashverstärkungen gefertigt. Volkswagen hat dazu eigens ein Werkzeug entwickelt, über das sich die Türen – schon bevor sie in das Monocoque eingesetzt werden – millimetergenau in die angrenzenden Bauteile der Karosserie einpassen lassen, um die extrem engen Fertigungstoleranzen einzuhalten. Allein so kann sichergestellt werden, dass im eingebauten Zustand alle Vorgaben wie etwa das definierte Fugenspaltmaß und homogene Übergänge zwischen den Flächen realisiert werden. Denn anders als Blechbauteile, lassen sich Karbonelemente nachträglich nicht mehr verformen.
Fertigungsstufe III – Karosseriemontage
In der dritten Fertigungsstation wird der Kastenrohbau auf eine neue Vorrichtung gesetzt. Hier werden nun alle Bauteile der Karosserie im Rahmen der vorgegebenen Spaltmaße und Bündigkeiten montiert. Zu diesen Bauteilen gehören die Flügeltüren, die Fronthaube, die Heckklappe, der vordere Stoßfänger und diverse Kleinteile. Eine besondere Herausforderung ist das Einstellen der Flügeltüren, da die exakte Passung zu den Dach- und Seitenteilflächen sichergestellt werden muss.
Fertigungsstufe IV – Lackierung
Insgesamt werden beim XL1 32 Außenhautteile lackiert; sechs davon sind Sichtkarbonteile. Die CFK-Bauteile werden im Rahmen der XL1-Fertigung speziell auf das Lackieren vorbereitet. Hintergrund: Damit der Qualitätsstandard einer Class-A-Lackierung trotz einer minimal dünnen und damit leichten Lackschicht erfüllt wird, erhalten die Bauteile eine spezielle Vliesschicht oder einen Harzfilm als Deckschicht. Dies ergibt gegenüber den bislang üblichen CFK-Lackierungen eine Gewichtsreduzierung von mehr als 50 Prozent. Die Realisierung dieses innovativen CFK-Lackierprozesses ist der intensiven Grundlagenarbeit des Technischen Entwicklungszentrums von Volkswagen in Wolfsburg und den begleitenden Versuchsreihen der Lackierexperten im Werk Osnabrück zu verdanken.
Der Lack selbst besteht aus drei Schichten: Der Grundierung mit Füller folgt der Basislack – die farbgebende Schicht. Als abschließende Schicht wird dann vor dem Hintergrund einer hohen Kratzfestigkeit und UV-Beständigkeit Klarlack verwendet. Im Innenraum wird hingegen entweder ein Dekorlack in „Perlgrau matt" oder – auf Sichtkarbonteile wie die Schweller – ein mattierter Klarlack aufgetragen. Gleiches gilt für die Dachstruktur, bei der Volkswagen im Hinblick auf das Gewicht und den Freiraum der Passagiere auf Verkleidungsteile verzichtete.
Fertigungsstufe V – Vorderwagen
Im Anschluss an das Lackieren kommen alle Komponenten in die Fertigmontage. In einem ersten Schritt wird dabei der Vorderwagen mit der vorgefertigten Bodenplatte komplettiert. Das Modul dieser Bodenplatte besteht unter anderem aus der Doppelquerlenker-Vorderachse samt Schwenklager (gefertigt aus Alu-Druckguss), dem Stabilisator (gefertigt aus CFK), einer kleinen 12-Volt-Batterie für das Bordnetz und den vorderen Keramik-Bremsscheiben. Ebenfalls vorn integriert wird die Hochvoltbatterie für den Plug-In-Hybridantrieb. Ein Besonderheit ist zudem die Einbauposition der Klimaanlage: Standardmäßig wird die Anlage im Fahrzeuginneren eingebaut. Aus Package-Gründen ist das aber im Fall des XL1 nicht möglich; deshalb wird die Klimaanlage ebenfalls im Frontbereich in einer speziellen Isolierkapsel montiert. Darüber hinaus findet in dieser Fertigungsstufe im ITC (Inbetriebnahme und Testzentrum) die automatische Bordnetzprüfung und vorab die Inbetriebnahme aller elektronischen Komponenten statt.
Fertigungsstufe VI – Heck und Interieur
Die klassische Hochzeit – das Zusammenführen des Antriebs mit der Karosserie – findet nach der Montage des Vorderwagens statt. Der komplette Triebsatz (2-Zylinder-TDI-Motor, E-Motor und 7-Gang-DSG) wird im Heck des XL1 eingebaut. Die aus Alu-Druckguss gefertigte Hinterachse samt Antriebswellen und Keramik-Bremsschei¬ben sowie der CFK-Stabilisator vervollständigen die im Heck integrierten Komponenten.
Parallel wird an dieser Station das Cockpit mittels dazugehörigem Magnesiumträgers eingebaut. Aufgrund der Kleinserie ist eine Vormontage des Cockpits beim XL1 anders als in der Großserie nicht vorgesehen; alle Cockpit-Einzelteile werden vielmehr im Fahrzeugaufbau montiert. Die Schalttafel selbst besteht aus einem nur 1,4 mm starken Holzfaserformstoff, der in einem speziellen Pressverfahren hergestellt wird.
Fertigungsstufe VII – Frontscheibe, Türen und Räder
Der XL1 nimmt nun immer mehr Gestalt an. Nach der Montage der Antriebseinheit folgt der Einbau der lediglich 3,2 mm starken Verbundglas-Frontscheibe. Darüber hinaus werden die Flügeltüren (inklusive Türaußenbetätigung) wieder eingebaut; deren exakte Position und Ausrichtung wurde zuvor an der Fertigungsstufe II fixiert. Über Zentrierbolzen wird darüber hinaus die Fronthaube an das Monocoque gesteckt. Last but least erhält der XL1 an dieser Station seine Magnesium-Räder. Bestückt sind sie mit Leichtlaufreifen der Dimension 115/80 R15 (vorn) und 145/55 R16 (hinten).
Fertigungsstufe VIII – Komplettierung der Türen
Die Flügeltüren sind die komplexesten Anbauteile der XL1-Karosserie. Nach dem Einbau der lackierten Tür und der Integration der Fensterheber folgt unter dem Einsatz spezieller Montagevorrichtungen das Einkleben der seitlichen Kunststoffscheiben. Der größere Teil der Scheiben ist aus Package-Gründen fest mit der Türenaußenhaut verbunden; ein Segment des unteren Bereichs der Seitenscheiben kann indes geöffnet werden. Abschließend werden die Rückfahrkameras in ihr Gehäuse gesetzt und die e-Mirrors (digitale Außenspiegel) an die CFK-Außenhaut der Tür montiert.
Fertigungsstufe IX – die Inbetriebnahme
Im Rahmen der Qualitätssicherung werden sämtliche Steuergeräte, deren spezifische Software und der Leitungssatz überprüft; die Steuergeräte werden dabei parallel mit dem fahrzeugspezifischen Leitungssatz zusammengeschaltet. Nun folgt die finale Inbetriebnahme des XL1. Zuerst wird dabei das gesamte Hochvoltsystem überprüft. Zu diesem Zweck werden „fingierte" Isolationsfehler aufgeschaltet und so die Notabschaltung des Systems geprüft. Im nächsten Schritt folgt die Inbetriebnahme des Verbrennungsmotors; dabei werden alle Stellglieder und Sensoren des TDI-Motors überprüft und die Parameter während des ersten Starts mit den Sollvorgaben verglichen. Parallel stellen Mitarbeiter die kamerabasierten Außenspiegel (e-Mirror) ein; das korrekte Sichtfeld des e-Mirrors wird dabei über ein spezielles Computerprogramm optimal justiert.
Nachdem sämtliche Systeme in Betrieb genommen wurden, erfolgt eine Überprüfung aller elektrischen Einrichtungen; auch hier auf der Basis einer genau abzuarbeitenden Checkliste. Erst danach wird die Fertigung des XL1 mit einer Testfahrt abgeschlossen, um die dynamischen Fahrzeugfunktionen zu checken. Nun kann das effizienteste Auto der Welt ausgeliefert werden!
Hinweis:
TDI, TSI, DSG und Twincharger sind eingetragene Markenzeichen der Volkswagen AG oder anderer Unternehmen der Volkswagen Gruppe in Deutschland und weiteren Ländern.