Wie beeinflusst die Coronapandemie die Ausbildung?
Sicilia: Der Umgang mit dem Coronavirus hat natürlich große Anpassungen erforderlich gemacht. Einerseits, was das Lernen an sich betrifft, andererseits im Hinblick auf den Gesundheitsschutz. Als Betriebsrat haben wir frühzeitig Maßnahmen für beide Aspekte gefordert – für den Ausbildungsbereich, aber auch darüber hinaus. Der Schutz von Gesundheit ist uns immer wichtig, und das insbesondere in der Ausbildung, wo wir eine Verantwortung für die jungen Menschen tragen. Deshalb freut es uns, dass es so gut gelungen ist, gemeinsam mit dem Unternehmen Maßnahmen in die Wege zu leiten, die der besonderen (Lern-)Situation der Auszubildenden gerecht werden. Die Pandemie hat außerdem noch ein anderes Thema beeinträchtigt: Unser Nachwuchs engagiert sich seit Langem immer wieder auch politisch, etwa bei der Antifa-Woche oder in Auschwitz für unsere Erinnerungskultur mit den Begegnungen dort, im Austausch und der Gedenkstättenarbeit. Da war aber wegen Corona vieles nicht wie gewohnt möglich. Wir hoffen alle sehr, dass auch bei diesem Thema bald wieder mehr Normalität herrscht und die Dinge wieder wie gewohnt möglich werden.
Görtz: Durch gute Hygienekonzepte haben wir längere Lockdown-Phasen in der Ausbildung bislang vermieden. Mit Ausnahme von zwei Monaten konnten die Nachwuchskräfte zumindest einen Teil ihrer praktischen Ausbildungszeit im Trainingszentrum und im Betrieb verbringen. Darüber sind wir sehr froh. Unsere Zahlen zeigen: Die Pandemie hat dem Ausbildungserfolg und damit den Berufsaussichten nicht geschadet. Die Prüfungsergebnisse erreichen weiterhin ein ähnlich gutes Niveau wie vor Corona.
Dennoch hat die Coronapandemie unsere Ausbildung verändert: Wir haben Lehrkonzepte und die Art zu lernen umgestellt und den Rahmenbedingungen angepasst. Dabei hat uns sehr geholfen, dass alle technischen Auszubildenden bereits vor dem Beginn der Pandemie über ein Tablet verfügten – wichtig für das mobile Lernen. Die kaufmännischen Auszubildenden nutzen einen dienstlichen Laptop. Unsere Ausbilderinnen und Ausbilder stehen an jedem Arbeitstag mit ihren Auszubildenden in engem Kontakt – so gelingt es uns, sowohl die Gruppe als auch jeden Einzelnen zeitnah und bedarfsgerecht zu unterstützen.
Wie geht es weiter?
Görtz: Während der Pandemie haben wir zusätzliche positive Erfahrungen mit dem digitalen und selbstgesteuerten Lernen gesammelt. Diese Vorteile wollen wir auch weiterhin nutzen. Wir sind überzeugt: Die Wissensvermittlung wird agiler, flexibler und bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Auch die Rolle der Ausbilderinnen und Ausbilder verändert sich. Auf Basis ihrer hohen Fachkompetenz entwickeln sie sich immer mehr zu Lernprozessbegleitenden für junge Menschen. Das selbstgesteuerte Lernen wollen wir beispielsweise durch Projektarbeiten fördern, teils berufsübergreifend. Das ist wichtig, denn die Herausforderungen der Zukunft lassen sich nur gemeinsam lösen. Meine Prognose: Erfolgreich sind künftig die Auszubildenden, die gemeinsam komplexe Probleme lösen können. Dabei sind Kreativität, Empathie sowie ganzheitliches Denken gefragt – und die Bereitschaft, sich stetig neues Wissen anzueignen. In der Berufsausbildung legen wir schon heute das Fundament für ein stabiles und zugleich wandlungsfähiges Unternehmen.
Sicilia: Stimmt! Dass solche Konzepte erfolgreich sind, sieht man an der Fakultät 73. Aber auch in der klassischen Ausbildungswelt stehen wir vor einem Paradigmenwechsel: Einerseits braucht es eigenverantwortliches Lernen, andererseits Kollaboration und Kommunikation. Das passiert nicht von allein. Hier muss es mehr Angebote geben und diese Skills müssen gezielt gefördert werden. Dafür setzen wir uns ein!